ARL-Stellungnahme zu den gesetzlichen Neuregelungen für die Windenergieplanung
Die Akademie für
Raumentwicklung in der Leibniz-Gesellschaft (ARL) ist ein Thinktank der
Raumordnung und Raumforschung. Sie erforscht mit Ihrem Netzwerk aus
Raumwissenschaft und Planungspraxis räumliche Strukturen und Entwicklungen,
ihre Ursachen und Wirkungen sowie die Möglichkeiten der politisch-planerischen
Steuerung.
Am 28.07.2022 wurde
das Gesetz zur Erhöhung und Beschleunigung des Ausbaus von Windenergieanlagen
an Land („Wind-an-Land-Gesetz“) verkündet. Die darin enthaltenen Regelungen zur
planerischen Ausweisung von Standorten für Windenergieanlagen verändern die
Planungsverfahren grundsätzlich und haben erhebliche Folgen für den Stellenwert
der Raumordnung insgesamt (vgl. hierzu auch DS
PlA 06/22, DS
VVS 18/22).
Das Präsidium der ARL hat am 07.12.2022 folgende
Stellungnahme zu den gesetzlichen Neuregelungen für die Windenergieplanung
gefasst:
- Klare gesetzliche Grundlagen einschließlich
konkreter und gut begründeter Flächenvorgaben sind wegen der Dringlichkeit
des Ausbaus erneuerbarer Energien unverzichtbar. In diesem Sinne begrüßt
das Präsidium der ARL ausdrücklich die Initiative des Bundes zur
Bereinigung der bisherigen Rechtslage. Diese ist komplex und hochgradig
durch Gerichtsurteile geprägt, so dass es selbst für leistungsfähige
kommunale und regionale Planungsträger in den letzten Jahren kaum noch
möglich war, gerichtsfeste Pläne zu erstellen.
- Das novellierte Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG)
enthält die Zielvorgabe für das Jahr 2032, dass 2 % des Bundesgebiets für
die Windenergie bereitgestellt werden. Aus diesem Wert werden im
Wind-an-Land-Gesetz konkrete, rein quantitativ angesetzte
Flächenbeitragswerte für die Länder abgeleitet. Das jetzt auf Landesebene
anstehende „Herunterbrechen“ des jeweiligen länderspezifischen Wertes auf
Teilräume muss deren raumstrukturellen Besonderheiten Rechnung tragen. Aus
einzelnen Bundesländern bekannt gewordene Überlegungen, das
Landes-Flächenziel unverändert an die Regionen weiterzureichen, sind dort
nicht nachvollziehbar, wo die Regionen erhebliche Unterschiede bezüglich
der Topographie und der Siedlungsdichte aufweisen und Flächen für andere
politische Zielsetzungen (z. B. die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum)
bereitzustellen haben.
- Durch die künftig geltenden Regelungen bei
Nichterreichen der Flächenziele werden die Länder, im operativen Bereich
aber insbesondere die regionalen Planungsträger erheblich unter Druck
gesetzt. Die ARL weist ausdrücklich darauf hin, dass die Regionalplanung
bereits bisher in vielen Regionen Wegbereiter und Treiber des Ausbaus der
Windenergie war, was häufig nur gegen erhebliche Widerstände von Kommunen,
Fachplanungen und zivilgesellschaftlichen Initiativen möglich war. Ein
weiterer wesentlicher Grund für die Verzögerungen auf der Ebene der Regionalplanung
waren umfangreiche Gerichtsverfahren, z. T. über mehrere Instanzen, mit
überraschenden und kaum erfüllbaren Anforderungen an die
Regionalplanung.
- Das Präsidium der ARL sieht mit Sorge, dass in
Regionen, die das vorgegebene Flächenziel nicht erreichen, die
Funktionsfähigkeit der Regionalplanung durch die Novellierungen bewusst
und weitgehend beeinträchtigt wird. So sind der Schaffung von
Windenergieflächen entgegenstehende Festlegungen in Raumordnungsplänen in
diesen Regionen künftig unbeachtlich, ebenso „sonstige Maßnahmen der
Landesplanung“. Hier ist der Gesetzgeber aus Sicht des Präsidiums über das
Ziel hinausgeschossen. Eine Beschleunigung der Ausweisung von Flächen für
die Windenergie darf die Regionalplanung nicht in ihren anderen Aufgabenfeldern
beeinträchtigen. Sie hat die Verantwortung für eine Abstimmung der
unterschiedlichsten Nutzungsansprüche an den Raum im Sinne des Leitbilds
der nachhaltigen Raumentwicklung. Dabei ist es erforderlich, stets auch
die Akzeptanz für die Planinhalte zu fördern. Hier sind die Neuregelungen
so schnell wie möglich zu justieren. Ausdrücklich nicht erfasst von dieser
Kritik ist die Regelung, dass in denjenigen Regionen, in denen die
Flächenziele bislang nicht erreicht werden, die flächendeckende Privilegierung
weitergilt.
- Das Präsidium ruft dazu auf, das in der
Gesellschaft fortbestehende Protestpotenzial nicht zu unterschätzen. Das
bedeutet, dass trotz der gebotenen Eile stets sorgfältig gearbeitet werden
muss, um keine Angriffsflächen für künftige Klagen gegen
Windenergieanlagen zu bieten. Neben der Planungsbeschleunigung muss der
Verbesserung der Akzeptanz mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden, etwa
durch Beteiligung der Standorträume und ihrer Bevölkerung am
wirtschaftlichen Ertrag der Energieproduktion.
Zur vollständigen Pressemitteilung der ARL: https://www.arl-net.de/system/files/PM_Stellungnahme_WE_7.12.2022_final.pdf