Schließung grenznaher Atomkraftwerke

08.03.2021

Eingegangene Reaktionen auf Resolution zur Abschaltung grenznaher Atomkraftwerke in der Schweiz machen wenig Hoffnung. Verbandsvorsitzender Otto Neideck zeigt sich enttäuscht und fordert ein zeitnahes Exportverbot für Brennelemente.

Die Verbandsversammlung des Regionalverbands Südlicher Oberrhein hat am 15.10.2020 eine Resolution zur Abschaltung grenznaher Atomkraftwerke in der Schweiz beschlossen. Diese richtete sich an die politisch Verantwortlichen in der Schweiz und in Deutschland. Konkret wurde darin die umgehende Stilllegung des Atomkraftwerks Beznau sowie die zeitnahe Stilllegung der Atomkraftwerke Leibstadt und Gösgen gefordert. Zur Begründung wurde auf die Atomkatastrophen in Tschernobyl und Fukushima sowie auf das steigende Risiko bei älteren Atomreaktoren verwiesen (vgl. DS VVS 06/20).

Inzwischen liegen dem Regionalverband die Reaktionen von den Adressaten der Resolution vor. Aus der Schweiz haben Bundesrätin Simonetta Sommaruga, Vertreter der Kantone Aargau und Solothurn, der Verband der Schweizer Kernkraftwerksbetreiber sowie die für die Aufsicht zuständigen Eidgenössischen Nuklearsicherheitsinspektion (ENSI) geantwortet. Alle verweisen darauf, dass nach schweizerischer Gesetzeslage die in Betrieb befindlichen Atomkraftwerke weiter betrieben werden dürfen, neue jedoch nicht gebaut werden. Die damalige Bundespräsidentin Sommaruga betont in ihrer Antwort: „Die Betriebsbewilligungen der bestehenden Kernanlagen sind jedoch grundsätzlich unbefristet. Diese Anlagen dürfen in Betrieb bleiben, solange sie sicher sind.“ Dies sei das Ergebnis einer eidgenössischen Volksabstimmung im Jahr 2017. Auch die ENSI betont in ihrer Antwort: „In der Schweiz entscheidet die Sicherheit und nicht das Alter über den Betrieb von Kernkraftwerken.“

„Es ist für mich unverständlich, dass es für die alten Kernkraftwerke in der Schweiz keine Ausstiegsszenarien und Enddaten gibt. Beznau wurde 1969 in Betrieb genommen und ist das älteste Kernkraftwerk der Welt. Man kann niemandem glaubhaft vermitteln, dass solche Anlagen bis in alle Ewigkeit sicher sein werden“, sagt der Verbandsvorsitzende Otto Neideck. So gesteht auch die Atomaufsicht ENSI ein, dass Nachrüstungen ihre Grenzen haben, da die Lebensdauer eines Kernkraftwerks von der Lebensdauer unersetzlicher Komponenten abhänge, zum Beispiel vom Reaktordruckbehälter. Das Ziel sei vielmehr die Altmeiler mit „sicherheitstechnischen Nachrüstungen (…) soweit wie möglich an das Sicherheitsniveau neuer Kernkraftwerke“ heranzuführen. „Angesichts der gravierenden und nicht reparablen Schäden, die bei Unfällen für Menschen und Umwelt eintreten können, ist es weder nachvollziehbar noch hinnehmbar, dass das ENSI seiner Beurteilung nicht den aktuellen Sicherheitsstandard neuer Kernkraftwerke zugrunde legt, sondern einen angenäherten Sicherheitsstandard ausreichen lässt“, betont Neideck.

Diese Einschätzung wird auch von den angeschriebenen Vertretern der deutschen Seite geteilt. Die parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit, Rita Schwarzelühr-Sutter, bezeichnet es als „fatale Fehlentwicklung“, dass nach dem Willen der Betreiber der Kernkraftanlagen die Atomkraftwerke in Beznau, Gösgen und Leibstadt „sogar 60 Jahre und länger laufen sollen.“ Umweltminister Franz Untersteller betont, dass diese Atomkraftwerke „allesamt in einem Alter“ sind, „in dem sie in Deutschland bereits abgeschaltet worden wären.“ Weiter weist er darauf hin, dass der Bundesrat die Bundesregierung aufgefordert hat, „die Möglichkeiten eines Exportverbots von Kernbrennstoff für diese Atomkraftwerke zu prüfen“. Ein Exportverbot würde die Forderungen nach Stilllegung der alten grenznahen AKW unterstützen, so Untersteller.

 „Es ist gut, dass über ein Exportverbot für Brennelemente auf Bundesebene nachgedacht wird. Wenn man sich allerdings vor Augen führt, dass dies bereits im Koalitionsvertrag 2018 festgelegt wurde [1] , wächst das Unverständnis und der Unmut“, so der Verbandsvorsitzende. Gerade in der Grenzregion sei man im Verhältnis zur Schweiz auf die Unterstützung aus Berlin angewiesen. Man könne nicht einerseits die Schließung der Atomkraftwerke fordern und andererseits zulassen, dass aus Deutschland Brennelemente in die Schweiz geliefert werden. „Ich erwarte von der Bundespolitik, dass das Exportverbot noch in dieser Legislaturperiode beschlossen wird. Das ist schließlich eine Frage der Glaubwürdigkeit der deutschen Atompolitik und hat unmittelbare Auswirkung auf unsere Diskussion in der Grenzregion.“

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[1] Koalitionsvertrag, S. 142.